Motorenfabrik Oberursel AG


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Firmen-Geschichte

1892 gründete der Ingenieur Wilhelm Seck das Werk in Oberursel im Taunus. Gebaut wurden Gas-, Otto-, Glühkopf- und Dieselmotoren für Automobile, Lokomotiven und sogar Flugzeuge. Die Flugmotoren entstanden in Zusammenarbeit mit einem französischen Unternehmen und brachten es bereits auf eine Leistung von bis zu 100 PS. Auch Lokomobile und Motorlokomotiven gehörten zur Produktpalette von Oberursel. Einen Bahnanschluß erhielt das Werk 1899.

Bereits im Jahre 1901 lieferte man Lokomotiven. Dies geht aus einem Schreiben eines Kunden der Motorenfabrik Oberursel hervor. 1902 erregte eine Oberursel-Lok das allgemeine Interesse, da diese für die Königliche Herrschaft Cadinen bestimmte Lok eine Prämierung des Kaisers erhielt.


Oberursel-Motorlok für die Königliche Herrschaft Cadinen

Im Ersten Weltkrieg hat Oberursel neben O&K-Montania und der Gasmotoren-Fabrik Deutz Feldbahnlokomotiven für die deutsche und österreichische Heeresfeldbahn gebaut. Nach Österreich lieferte man den Typ 2a22F, eine zweiachsige, 10 PS starke Feldbahnlok. An die Deutsche Heeresfeldbahn gingen bis Dezember 1918 insgesamt 60 Lokomotiven der Typ 6a22E und 7a22E, die weiteren 140 bestellten Maschinen kamen nach Kriegsende offensichtlich nicht mehr zur Auslieferung und wurden 1920 storniert. Diese 30 bzw. 40 PS starken Maschinen waren dreiachsig, wobei die vordere Achse kurvenbeweglich (System Klien-Lindner) ausgeführt wurden. Interessanter Weise ist auf der Werkaufnahme 519 die '500te Militär-Feldbahn-Lokomotive No. 7; geliefert für die Militär-Feldeisenbahnen' zu sehen. Die Lok trägt ein Schild mit der Aufschrift '500te Motorlokomotive der Abschätzungskommision Cöln-Deutz, 16.06.1916'. Es ist dies allerdings nicht die 500. Oberursel-Lokomotive, sondern die 500. Lok bei der Heeresfeldbahn (alleine Deutz hatte zu dem Zeitpunkt schon über 300 Maschinen geliefert).

Die Motorenfabrik Oberursel AG geht am 4. November 1921 rückwirkend zum 1. Juli 1921 mit der Gasmotoren-Fabrik Deutz AG eine Interessengemeinschaft ein. Ab diesem Zeitpunkt werden über Deutz Oberursellokomotiven verkauft, die im Deutz-Lieferbuch unter der Kommissionsnummer 05xxxx in roter Schrift eingetragen sind. Zum Teil bekamen diese Lokomotiven auch eine Deutz-Fabriknummer, bei den meisten wurde jedoch nur die Oberursel-Motornummer vermerkt. Außerdem lieferte Oberursel seit 1921 den Motor Typ LM116 und LM216 mit 40 PS Leistung, der in mehrere Deutz-Lokomotiven eingebaut wurde. Oberursel rüstete auch Fahrgestelle anderer Hersteller mit Motoren aus, bekannt sind zwei 1907 gebaute Fahrgestelle der Firma A. Jung/Jungenthal bei Kirchen a.d. Sieg (Jung FNr. 1152 und 1169).

Die von Oberursel gebauten Lokomotiven waren mit 6 bis 55 PS starken Motoren ausgerüstet, die Kraftübertragung geschah mittels Kette und Stangen. Das Aussehen der Lokomotiven weicht zwar von den Deutz-Motorlokomotiven ab, das Feldbahn-, Gruben- und normalspurige Rangierlokomotiven umfassende Lieferprogramm war aber mit dem von Deutz identisch. Oberursel war deshalb bis zu der 1921 aufgenommen Zusammenarbeit mit Deutz einer der stärksten Konkurrenten. Die Motorenfabrik Oberursel blieb bis zur Eingliederung in die Motorenfabrik Deutz AG am 17. Oktober 1930 ein eigenständiger Motor- und Lokomotivhersteller. Nach der Übernahme wurde im Werk Oberursel vor allem an der Entwicklung neuer schnell laufender Fahrzeugmotoren gearbeitet. Ab 1959 beschäftigte man sich mit der Entwicklung von Gasturbinentriebwerken. Der Name des Werks wird in KHD-Luftfahrtechnik GmbH, Oberursel, geändert. 1990 verkauft KHD das Werk, es gehört heute zu den Bayerischen Motorenwerke BMW.

 

Produktionszahlen

Über die Zahl der gebauten Oberursel-Lokomotiven gibt es widersprüchliche oder falsche Angaben. In einer Quelle wird die Zahl von 6500 gebauten Lokomotiven, die Hälfte davon mit Schlagwetterschutz für Grubenbetrieb, angegeben. Diese große Zahl gebauter Lokomotiven ist aber stark zweifelhaft. In der Werbeanzeige aus den 1920er Jahren wird diese Zahl genannt, dies ist aber nicht die Zahl der nur bei Oberursel gebauten Fahrzeuge, sondern die Zahl der gelieferten Deutz- und Oberursel-Motorlokomotiven zusammen. Andere Quellen übergehen Oberursel als Lokomotivhersteller ganz, da diese davon ausgehen, daß Oberursel selbst keine Lokomotiven, sondern ausschließlich nur Motoren baute.

Nach Katalogen und einer Referenzliste zu urteilen wurden allein bis 1908 mehr als 200 Motorlokomotiven geliefert. Bis 1921 waren es mindestens 320 Maschinen, weitere 122 werden in den Deutz-Unterlagen genannt, so daß Oberursel nachweislich mindestens 450 Lokomotiven gebaut hat. Allerdings hilft diese Anzahl der bekannten Lieferungen nicht weiter bei der Bestimmung der insgesamt gebauten Lokomotiven, denn in einem Schreiben der Motorenfabrik Oberursel von 1912 hatten bis dahin schon über 1000 Lokomotiven das Werk verlassen.

Die wirkliche Anzahl der gebauten Lokomotiven ist leider noch nicht bekannt und die vorliegenden Oberursel-Unterlagen lassen auch keine Abschätzung zu. Interessant ist in diesem Zusammenhang aber, daß im Deutz-Lieferbuch um 1921, also zu dem Zeitpunkt, zu dem Deutz die Interessengemeinschaft mit Oberursel eingeht, nachweislich 1837 Fabriknummern frei bleiben (Deutz FNr. 4264 bis FNr. 6100) und nicht mit Deutz-Motoren belegt sind. Diese Lücke diente sehr wahrscheinlich zum Einzählen von den bis 1921 bei Oberursel gebauten Lokomotiven. Einige dieser Fabriknummern (z.B. FNr. 6083, 6089, 6090 und 6100) sind sogar nachweislich mit Oberursel-Lokomotiven Baujahr 1922 belegt. Das Oberursel bis 1921 ca. 1837 Lokomotiven gebaut hatte, wird desweiteren durch einen Prospekt über die "Deutz-Oberursel-Lokomotiven" von 1923 untermauert, laut dem "über 6300 Lokomotiven mit ca. 140000 Pferdekräften" geliefert wurden. Bis 1923 hatte Deutz nachweislich 4436 Lokomotiven geliefert, in dem Werk in Oberursel müssten demnach bis 1923 mindestens 1864 Lokomotiven gebaut worden sein, was zu den ca. 1837 Maschinen bis 1922 passt.

Bis zum Ende des Lokomotivbaus in Oberursel dürften also etwas weniger als 2000 Lokomotiven das Werk verlassen haben - nur rund ein Drittel dieser Lieferungen, 637 Maschinen (Stand: Dezember 2023), sind aus Referenzlisten, Deutz-Unterlagen und Literaturangaben bisher bekannt; wobei allerdings oftmals keine Fabriknummern bekannt sind.

 

Quellen

Im Deutz-Archiv gibt es leider keine Fabriknummernliste, da diese Unterlagen auch nach der Übernahme 1930 in Oberursel verblieben. Ob diese noch heute dort vorhanden sind, konnte noch nicht geklärt werden. Dafür liegen aber Kataloge mit umfangreichen Angaben über die zwischen 1901 bis etwa 1916 gelieferten Lokomotiven vor, die dankenswerter Weise Herr Christopher, Herr de Graaf, Herr Wening und Herr Gyllenberg zur Verfügung stellten.

Weitere Angaben von Seiten der Leser sind sehr willkommen. Dabei können auch Zeitungsartikel oder Werbeanzeigen hilfreich sein, ebenso Hinweise auf Material in Archiven.

 


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© Jens Merte